Sonntag, 28. Mai 2017

Der Wanderausflug:
Mitte Mai war ich mit einer guten Freundin namens Lilian und ihrer kleinen Schwester Courtney im Ohiopyle State Park wandern. Da Pennsylvania nicht zuletzt für seine Landschaften, Bergketten und Wälder bekannt ist, freute ich mich auf das Erlebnis und nahm die zweistündige Autofahrt gerne in Kauf. Lilian erzählte mir außerdem, dass am Ende der Wanderung eine “Natural Waterslide” auf uns wartet, also eine Art Flussabschnitt der üblicherweise als Wasserrutsche benutzt werden kann. Ich erwartete also eine entspannte, mehrstündige Wanderung durch die örtlichen Wälder mit besagter Rutsche als Highlight. Was ich an diesem Tag erleben sollte, hatte damit jedoch rein gar nichts zu tun.

Zu Beginn der Wanderung wurde ich zunächst positiv überrascht, als wir mitten in einem idyllischen Wald plötzlich vor einem wundervollen Wasserfall standen. Wir hielten uns hier eine Weile auf, genossen die Natur und kletterten sogar hinter den Wasserfall. Die Wandertage aus Schulzeiten hatte ich etwas anders in Erinnerung.



Nachdem wir einige Minuten dem Wanderweg dem Fluss entlang gefolgt waren, deutet Lilian auf eine steinerne Felswand zu unserer Rechten und fragte mich “How about this one?” (Wie siehts mit dieser hier aus?). Ich reagierte zunächst etwas verdutzt, da ich nicht glauben wollte dass Lilian gerade tatsächlich vorschlug, diese vier Meter hohe, steile Wand ohne Sicherung hinaufzuklettern. Noch bevor ich meine Bedenken äußern konnte, hatte Sie ihr Vorhaben bereits in die Tat umgesetzt und kraxelte mit verblüffender Geschwindigkeit die steilen Felsen hinauf. Als ich dabei die Spikes unter ihren Schuhen entdeckte, realisierte ich sowohl, dass dies nicht Lilians erste Wanderung ist, als auch, dass diese Wanderung keine Normale werden würde.

Und ich sollte Recht behalten. Ein paar Kilometer Flussabwärts erblickten wir ein weiteres sehenswertes Naturschauspiel. Zwischen einer Flussmündung und einem kleinen Sandstrand befanden sich einige große, steile Steine, eher Felsen, nebeneinander die bis in den Fluss hineinragten. Auch dieses Mal schlug Lilian den Kletterversuch vor und überzeugte mich schließlich ebenfalls einen Versuch zu wagen. Ich schaute mich also nach einer geeigneten Einstiegsstelle um und schaffte schließlich, nach reichlich Überwindung, zahlreichen Fehlversuchen sowie hilfreichen Tipps von Lilian und ihrer Schwester, mich ungeschickt auf besagten Felsen zu hieven. Nach ausgiebigem Staunen über die Aussicht und die Natur stellte sich der Abstieg von besagtem Stein als ebenso große Herausforderung wie der Aufstieg heraus. Beim hinunterklettern rutschte ich mit dem rechten Fuß ab, konnte mich aber mit den Händen an einem Vorsprung festhalten. Bis auf zwei kleine Schürfwunden am Bauch kam ich glimpflich davon und freute mich über das Erfolgserlebnis.



Schließlich gelangten wir zu dem angepriesenen Highlight der Wanderroute. Die besagte “Natural Waterslide” kam mir auf den ersten Blick eher vor wie gewaltige Stromschnellen. Das Wasser raste mit einer enormen Geschwindigkeit den steinigen, S-förmigen Flussabschnitt herunter und auch Lilian, die diese Wanderroute bereits kannte, wunderte sich dass das Wasser deutlich höher stünde als sonst. Mein erster Gedanke war, dass wenn dieses Terrain so in Deutschland vorzufinden wäre, es eingezäunt und abgesperrt werden würde, damit nicht irgendwelche Verrückten auf die Idee kommen könnten hinein zu springen. Während ich das Spektakel skeptisch beäugte und versuchte herauszufinden wie tief das Wasser sein mag, fackelte Lilian nicht lange und wagte den Sprung. Sie wurde umgehend von den Wassermengen mitgerissen und verschwand aus meinem Sichtfeld. Ihre Schwester Courtney tat es ihr nach und sprang hinterher. Als die beiden Flussabwärts schließlich aus dem Flussbett kletterten und mir ein Daumen-hoch Signal gaben, hatte ich keine Wahl mehr. Ich zog also meine Schuhe aus, stieg in die “Rutsche” und bereute meine Entscheidung noch im selben Augenblick. Der Sog riss mich unter Wasser und schleuderte mich herum. Ohne jegliche Möglichkeit zu bremsen oder Einfluss auf die Richtung zu nehmen raste ich unkoordiniert den Abhang hinab. Ich eckte an einigen harten Steinen an bevor ich mich schließlich an einem Vorsprung festhalten und Halt gewinnen konnte. Ich zog mich also aus dem Fluss - allerdings auf der falschen Seite. Nicht nur dass Lilian und ich nun durch diese reißende Strömung von unseren Taschen und dem Heimweg getrennt waren, bereute ich nun außerdem meine Schuhe vor dem Vorhaben ausgezogen zu haben. Die Steine am Flussufer waren Spiegelglatt und das Gestrüpp neben dem Fluss war zu dicht um einen anderen Weg einzuschlagen. Der Versuch sich auf diesem Untergrund barfuß fortzubewegen schlug fehl. Ich verlor den Halt, knallte mit meinem Knie auf die Steinplatte und rutschte in Richtung der wilden Strömung. Lilian reagierte geistesgegenwärtig und blitzschnell, griff nach meiner Hand und bewahrte mich in letzter Sekunde vor einer erneuten, ungewollten Rutschfahrt an den spitzen Felsen entlang. Mit ihrer linken Hand an einem stabilen Ast und ihren Spikes unter den Schuhen hatte sie genügend Halt um nicht ebenfalls abzurutschen. Auf der anderen Flussseite hatten sich längst einige Amerikaner versammelt die das Spektakel auf ihren Smartphones festhielten und lauthals mitfieberten. Die Flussseite zu wechseln sollte sich schließlich als die spannendste Aufgabe des Tages herausstellen, die ohne Weiteres eine halbe Stunde in Anspruch nahm. Wir mussten uns in diesem menschenfeindlichen Gelände solange flussaufwärts bewegen, bis wir einen Punkt erreichten, an dem der Fluss breit genug und die Strömung dementsprechend schwach genug war, um nicht mitgerissen zu werden. Dafür überquerten wir nicht nur die glatten Gesteinsplatten, sondern kämpften uns auch durch das Dickicht am Flussrand. Schließlich schafften wir es, zwei herumliegende, große Äste quer über den Fluss zu manövrieren um anschließend hinüber zu balancieren.




Am Ende des Tages kam ich völlig geschafft und voller Blessuren nach Hause. Ob es mir Spaß gemacht hat? Auf jeden Fall. Würde ich es wieder tun? Keine Frage! Ich weiß ja jetzt was mich erwartet, wenn man mit Lilian wandern geht.


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